Quo vadis Fachzeitschriften?

[Abstract: From looking at current issues of .NET developer magazines in Germany I get the impression, their current format is outdated. Publishing software development content primarily on paper does not really cater to the needs of developers anymore. That way not enough relevant topics can be covered in each issue to make most of the readers happy most of the time. I thus propose a shift of focus from offline to online. What we need are magazines (i.e. information filters) we can customize.] 

Bei der Lektüre der letzten Ausgaben von dotnetpro und dot.net Magazin ist mir (wieder) aufgefallen, wieviele Artikel ich einfach überblättere. Früher habe ich die BasicPro immer komplett gelesen, auch anfangs noch die dotnetpro. Aber nun tue ich das schon lange nicht mehr. Ich lese auf jeden Fall die Editorials und Marcellus Buchheits Kolumne im dot.net Magazin. Und dann blättere ich durch und lese 2,3,4 Artikel - und das war´s.

Aber welche Artikel lese ich? Ich lese zunächst einmal die für mich wichtigen Artikel. Wichtig definiere ich als: passt zu meinen Spezialisierungsgebieten. Das sind derzeit Softwarearchitektur, Enterprise Programming und Datenbankzugriff. Wenn ich dann noch Zeit habe, dann lese ich Artikel, deren Themen mich irgendwie auch noch interessieren.

Früher habe ich den allergrößten Teil einer BasicPro als wichtig erachtet und der Rest war meist auch noch interessant. Das lag natürlich von 1998 bis 2001 auch daran, dass ich Chefredakteur der BasicPro war ;-) Vorher und nachher war das jedoch kaum anders. Eine Veränderung im Leseverhalten hat sich für mich merklich erst in den letzten 2-3 Jahren eingestellt. Auslöser war ganz einfach ein Gefühl von "Ich kann nicht mehr!": Ich kann nicht mehr all das lesen und aufnehmen und mir merken und womöglich ausprobieren, worüber berichtet wird.

Technologische Marksteine sind da für mich BizTalk, SharePoint und ASP.NET. BizTalk und SharePoint sind Technologien, die für Entwickler unbedingt relevant sind - und dennoch habe ich mich mit ihnen nicht befasst. Sie sind als Produkte so aufwändig und auf so spezielle Szenarien zugeschnitten, die mit meiner Projektwelt wenig zu tun haben, dass ich sie getrost ausblenden kann. Ich verstehe grob, was sie tun; das reicht mir. Bei ASP.NET verstehe ich natürlich viel besser, wie es funktioniert, aber ich habe schon lange keine Lust mehr auf das "Rumgefrickel" mit HTML und das umständliche Programmiermodell, so dass ich auf Fortbildung in diesem Bereich verzichte. Für meine Projektarbeit haben nähere ASP.NET-Kenntnisse keine Relevanz.

Die Entscheidung, konsequent (!) keine ASP.NET-Artikel mehr zu lesen, war dann ungemein befreiend, ebenso, mich nicht mit SharePoint, SQL Reporting Services, Active Directory oder Smart Tags sowie vielem anderen zu beschäftigen. Es fühlt sich so gut an, ohne schlechtes Gewissen, Artikel zu diesen Themen einfach überblättern zu können. So kann ich nämlich meine begrenzte Zeit viel effektiver den Themen widmen, die für mich wirklich wichtig sind, meinen Spezialgebieten. Zu denen allein gibt es nämlich genug zu lesen; auch ohne links und rechts zu schauen, könnte ich damit meine ganze Zeit füllen.

Ok, soviel zu meinem Arbeitsansatz: Auf wenige Spezialthemen fokussieren, um dort kompetent bleiben zu können. Vor allem das lesen, was im Sinne dieser Themen wichtig ist.

Was bedeutet das aber für die dotnetpro und das dot.net Magazin und auch noch für das MSDN Magazine, CoDe Magazine und iX? Hier eine Analyse der Jahresendausgaben von dotnetpro und dot.net Magazin im Hinblick auf Spezialisierungsgebiete, die das Professional Developer College (PDC) als zukünftig wichtig ansieht:

  • Desktop Clients
  • Web Clients
  • Mobile Computing
  • Enterprise Programming
  • Data Access Security
  • Office Integration
  • Software Production
  • Deployment/Administration
  • Software Quality
  • Software Architecture

Microsoft hat mit VSTS auch vier Spezialisierungen ausgerufen, allerdings sehr grobe: Entwickler, Architekt, Tester und Datenbankspezialist. Für die Diversifizierung eines Produkts wie VS mag das ausreichen, aber nicht für die Aus- und Fortbildung von Softwareprofis. Wer kompetent bleiben will, muss sich viel stärker fokussieren, sonst verliert er den Anschluss. Beredtes Beispiel dafür ist mir die Antwort auf eine Frage ans Publikum auf der prio: Ich hatte gefragt, wer denn wüsste, was IBF sei. Von knapp 100 Teilnehmern in meinem Vortrag hob einer die Hand. Die anderen wussten nicht, worum es geht. Wie aber können sie dann beurteilen, ob und wie IBF für ihre Projekte von Vorteil sein könnte? (Auflösung: IBF steht für Information Bridge Framework und gehört für das PDC zu den Technologien, mit denen sich ein Office Integration Specialist beschäftigt.) Irgendetwas scheint falsch mit der Wissens-/Technologievermittlung an die Community.

Aber zurück zur Fachzeitschriftenlektüre. Im Hinblick auf die PDC Spezialisierungsgebiete habe ich mir die aktuellen Ausgaben angesehen und einmal die Artikel diesen Spezialgebieten zugeordnet. (Den Spezialthemen habe ich noch eine Rubrik für Artikel, die grundlegend und damit für alle interessant sind, hinzugefügt und die Rubrik "Sonstiges" für Artikel, die eher vielleicht einer Fachdomäne zuzuordnen, weniger technisch oder sehr speziell technisch sind, ohne zu einem der Spezialgebiete zu gehören.) Hier das Ergebnis:

Was fällt auf:

  • Beide Magazine decken fast dieselbe Anzahl verschiedener Spezialthemengebiete ab (10 und 9). Sie sind thematisch also sehr breit angelegt.
  • Keinem Spezialgebiet werden mehr als 4 Artikel gewidmet, d.h. höchstens zwischen 16%-25%.
  • Der jeweilige Heft-Schwerpunkt ("Mobile Daten" im dot.net Magazin und "Außenwelt" bei der dotnetpro) spiegelt sich nicht in einer Häufung von Artikeln in einem Spezialgebiet wider. Beim dot.net Magazin ist vor allem der "Desktop Client" mit 4 Artikeln stark vertreten, bei der dotnetpro liegt "Sonstiges" mit 6 Beiträgen vorn (ansonsten die Client-Programmierung mit insg. 7 Beiträgen).
  • Eigentlich alle Artikel fallen in nur eine Rubrik.

Hinzu kommt - aber das ist aus dieser einen Analyse nicht herauszulesen, sondern ergibt sich erst bei einer Betrachtung über mehrere Ausgaben -, dass die Gewichtung der einzelnen Spezielisierungsthemengebiete von Ausgabe zu Ausgabe wechselt. In den aktuellen Ausgaben liegt der de facto Schwerpunkt bei der Client-Entwicklung (7 bzw. 6 Artikel. d.h. 26% bzw. 37%).

Aus dieser Analyse ergeben sich für mich die folgenden Ergebnisse:

  • Die Zeitschriften bieten ein breites Themenspektrum.
  • Eine Integration von Spezialisierungsgebieten innerhalb von Artikeln findet im Grunde nicht statt.

Was bedeutet das für jeden einzelnen Entwickler?

  1. Wenn ich die Notwendigkeit zur Spezialisierung im Sinne der obigen Spezialgebiete (oder ähnlicher) einmal als Prämisse und Notwendigkeit setze, dann bedeutet die aktuelle Ausrichtung der auflagenstärksten deutschsprachigen .NET-Fachmagazine, dass mit ihnen eine verlässliche, konsequente Fortbildung nicht möglich ist. Als Entwickler mit den Spezialgebieten A und B kann ich nicht sicher sein, dass in jeder Ausgabe ein erheblicher Teil des Inhalts auch auf A und B entfällt.
  2. Da wo Spezialisierung notwendig wird, um die Vielfalt der Optionen zu beherrschen (auch z.B. in der Medizin), da muss der zwangsläufig daraus resultierenden Tendenz zum Tunnelblick natürlich entgegengewirkt werden. Dialog über Spezialisierungsgrenzen hinweg wird nötig. Dieser Dialog findet in den Magazinen jedoch nicht statt, da Artikel nicht spezialgebietsübergreifend sind.

Positiv formuliert leisten die Fachzeitschriften das, was sie leisten wollen: Sie berichten sehr breit über das ständig wachsende Gebiet .NET. Sie erfüllen also die Aufgabe einer allgemeinen "Illustrierten für den interessierten .NET-Entwickler". Wer also beim Friseur oder im ärztlichen Wartezimmer eine breite, kurzweilige Lektüre bevorzugt, der ist gut bedient. Man kann hier und dort mal schnuppern und findet dann ja auch noch zu den eigenen Themen passende Artikel.

So ist der status quo. So kennen wir es von den Fachzeitschriften. Aber ist das auch gut so und ein Rezept für die Zukunft? Ich meine, nein.

Die Fachzeitschriften sollten anerkennen, dass uns eine breite Berichterstattung immer weniger hilft. Bei gegebenem Umfang kann auf Dauer bei wachsendem abzudeckendem Gebiet der Raum, in dem einzelne Themen besprochen werden können, nur kleiner werden. Damit ist aber keine Fortbildung mehr möglich. Denn Fortbildung bedeutet eine verlässliche Menge an Informationen zu wirklich Relevantem.

Werden Zeitschriften damit in Zukunft vielleicht überflüssig und Bücher bzw. die Summe der Angebote im Internet übernehmen die Fortbildung? Nein, das glaube ich nicht. Fachzeitschriften redaktionell betreute, periodische Push-Medien sind weiterhin wichtig. Sie nehmen womöglich sogar an Wichtigkeit zu. Google ist also nicht die Antwort.

Für mich sieht die Antwort vielmehr so aus:

  • Die Fachzeitschriften müssen sich so organisieren, dass sie konstant zu jedem Spezialgebiet eine kritische Menge an Inhalten publizieren, z.B. pro Monat min. 4 Beiträge pro Spezialgebiet, also 4*(10+1+1)=48.
  • Fachzeitschriften müssen es zulassen, dass Leser sich die für sie relevanten Inhalte selbst zusammenstellen können.
  • Leser sollen im Wesentlichen nur für das bezahlen, was sie lesen.

Realisierbar scheinen mir diese Ziele und damit das Überleben der Fachzeitschriften nur, wenn ein grundsätzliches Umdenken stattfindet. Der Fokus muss vom offline Medium zum online Medium bewegt werden. 48 Beiträge pro Monat können nicht auf Papier bezahlbar veröffentlicht werden. Diese Menge und Vielfalt sind aber nötig, um Fortbildung zu ermöglichen. Im Internet ist die Veröffentlichung aber kein Problem und wird sogar noch flexibler, weil schriftliche Inhalte dort gleichberechtigt neben Videos und Podcasts stehen können. Es kommt im Internet auch nicht mehr so sehr auf eine bestimmte Länge von Beiträgen an; sie können also auch themenangemessener dimensioniert werden.

Online ist dann auch eine viel flexiblere Bezahlung möglich. Pay per view funktioniert dort genauso wie ein Abo. Statt eines one size fits all Abos kann es im Internet aber auch viel flexiblere Abos geben, z.B. Abos, die pro Monat eine bestimmte Artikelanzahl aus allen Sparten abdecken, oder Abos, die sich auf eine bestimmte Menge von Spezialgebieten, aber dann alle dorthinein fallenden Beiträge beziehen.

Der Wunsch nach Beiträgen auf Papier kann bei einem Fokus auf online Veröffentlichung auf zweierlei Wegen erfüllt werden: Zum einen können Artikel in druckbarer Form angeboten werden (vielleicht nur für Abonennten?). Zum anderen kann aber auch zusätzlich noch ein Auszug von Beiträgen in Heftform erscheinen, z.B. ein Special mit Beiträgen zu einem Oberthema oder ein periodisches "Best of". Durch Print-on-Demand ließen sich vielleicht auch Beiträge in größerer Zahl auf Abruf in Buchform bestellen.

Die Fachzeitschrift als redaktionell betreutes, aktuelles Push-Medium ist für mich also nicht tot. Im Gegenteil! Wir brauchen den filternden Blick der Fachzeitschriften mehr denn je, weil er Orientierung im Technologie- und Konzeptdschungel ist. "Es uns mit Google selbst zu machen", ist demgegenüber oft umständlicher und braucht unsere Initiative. Die Zeitschrift hingegen kommt zu uns ins Haus gebrummt. Das ist viel bequemer. Vor allem, wenn man weiß, dass das, was darin steht, absolut und quasi 100% lesenswert ist.

Aber die Fachzeitschriften sollten die Zeichen der Zeit verstehen. Und wir als Entwickler sollten es auch. Wir und sie sollten daher druckbarer online Berichterstattung den Vorzug geben und uns in unserer Lektüre mehr fokussieren. Das kann nur Geld und Zeit sparen. Das Motto der Zukunft lautet: Customize your magazine!

11 Comments

  • Hallo Ralf,

    deinen Artikel finde ich super, denn genau das habe ich auch schon festgestellt. Inzwischen habe ich jede deutsche Zeitschrift bestellt, und inzwischen wieder abbestellt... :(

    Vielleicht hilft dein Beitrag die Zeitschriften wieder für alle interessant zu machen, nicht nur für die, die nur gerne lesen.

    CIAO
    Michael

  • 100% ack., wo kann man die abbonieren?

    Du hast doch Erfahrung als Chefredakteur, also schnell die erste kostenpflichtige Online-.NET Zeitschrift aufmachen! Ich würde den ersten Artikel spenden!

  • Interesannter Gedanke zum Tage! den ich aufgreifen möchte.
    Für mich natürlich doppelt interesannt, weil unsere Company immerhin zwei Magazine im Markt hat. Mit visual studio one gehen wir den von Dir zitierten breiten Ansatz, mit dem festen Willen uns nicht im Detail zu verzettlen. ASP.NET professional dagegen bietet eine hohe Spezialisierung zum Thema, das dich nicht mehr interessiert.
    Ich teile deinen Eindruck "ich kann nicht mehr!" absolut, wobei sich für mich persönlich die Frage stellt, bin ich einfach zu alt dafür?
    Aber auch so ganz generell ist die Frage "was geschieht mit gedruckten Magazinen" spannend. Die Gedanken die du ausführst finde ich zu sehr "schwarz/weiss".
    1)will ein Mensch sein Leben wirklich "customizen" oder möchte er aus wenigen Varianten wählen, weil ihm alles andere schon wieder zu kompliziert ist. Beides!
    2) Ist es für mein weiteres Leben wichtig IBF zu kennen? es kommt darauf an!

    also was will ich damit sagen: Magazine leben weiter und Online Content ebenso. Billing Modelle sind im Web kaum umzusetzen weil zb oft ganz brauchbarer Content bei Wikipedia und in Weblogs zu finden ist.

  • Hi,
    aufgrund der von Dir genannten Gründe, habe ich bereits vor Wochen eines der Abos gekündigt. Ich bin kurz davor, auch das zweite Zeitschriften Abo zu kündigen. Es hat sich bei mir konkret gezeigt, das es teilweise billiger ist, mehrere hundert EUR in Fachbücher u. kostenpflichtige Gespräche mit Fachleuten auf dem Gebiet zu bezahlen, als Zeit mit google zu verbringen.
    Ein Hindernis in meinen Augen ist aber noch, das ein stundenweiser Zugriff, z. B. via Telefon auf Fachleute fehlt. Tagessätze sind bei einigen Problemen einfach fehl am Platz.
    Gruß

  • Ich kann dem nur zustimmen. Auch ich habe bei mir schon dieses Leseverhalten bemerkt. Einen Großteil der Artikel überblättere ich meist. Wenn die Zeitschriften nicht schon über die Firma abonniert wären wäre es mir oft auch einfach zu teuer so ein Magazin wegen eines einzelnen Artikels der mich interessiert zu kaufen. Daher drucke ich mir auch jetzt schon so weit es geht die Artikel die mich interessieren aus und lese sie so. Auf Papier liest sich's eben doch besser als am Bildschirm, außerdem kann man sich da gut Notizen machen. Und die ausgedruckten Artikel kann man dann schön zusammen abheften und hat dadurch sein eigenes "Magazin". Ich bin gespannt ob die Zeitschriften in Zukunft verstärkt den dargestellten Weg gehen werden, mir würde es sehr entgegenkommen.

  • Danke für die vielen Kommentare. Sie zeigen mir, dass ich mit meiner Wahrnehmung und auch zumindest Teilen meiner Schlüsse daraus richtig liege. Mal schauen, was sich also in dieser Richtung bewegen lässt...

    Ganz allgemein: Natürlich denke ich nicht, dass die einzig mögliche derzeitige Reaktion das Kündigen von Abos ist. Der Preis eines Abos rechnet sich sehr schnell. Schon wenn man einmal im Jahr durch einen Artikel einmal 1,2,3 Stunden bei der Arbeit spart, ist das Abogeld ja wieder drin. Dasselbe gilt für Bücher.

    Als Mittel zur Meinungsäußerung ist das Kündigen eines Abos bei Unzufriedenheit aber natürlich legitim und sehr drastisch. Ohne weiteren Kommentar trägt es aber kaum zur Besserung der Situation bei. Insofern würde ich mir wünschen, dass jeder, der sein Abo kündigt, dem Verlag deutlich die Gründe nennt. Nur dann können Verlage es morgen besser machen.


    @Preishuber: Ja, ich denke, immer mehr wollen ihr Leben und ihr Lesen mehr selbst bestimmen. Aber es muss auch "Pauschalangebote" geben für den, der mehr Bequemlichkeit will. Aber auch das gehört für mich zu "customize your life". In jedem Fall muss der einzelne mehr entscheiden können. One size fits all ist nicht mehr.

    Natürlich kommt es darauf an, ob IBF für dein Leben wichtig ist. Aber um genau das herausfinden zu können, musst du IBF kennen. Und um IBF kennen zu können, musst du den Blick dafür haben. Den kann man aber nicht mehr haben, wenn man weiterhin den Blick für alles haben will.

    Offline Lesestoff wird es natürlich weiter geben. Ich hab mir grad ein PDF-Buch mit 223 Seiten ausgedruckt. Aber der online Lernstoff muss zunehmen. Die Verzahnung in geeigneter Weise muss das Ziel sein.

    @Florian: Danke für den Hinweis auf die Fridays. Bin dabei über ein Buch gestolpert, dass ich mir gleich kaufen musste ;-)

  • Hmm, Ralf, da hast du aber nichts Neues aufgetan. Sorry. Seit ich in der Zeitschriftenbranche (seit 1992) bin, sind es immer wieder die gleichen Vorwürfe, die Magazinen vorgehalten werden: Zu viel, zu spezifisch, zu unspezifisch, zu wenig für mich Relevantes, ich lese nur einen Artikel pro Ausgabe, zu teuer...

    Wieder einer, der erstickt in der Menge an Informationen.

    Das ist leider so. Die Fachzeitschriften können diese Menge nicht reduzieren. Was können Fachzeitschriften also machen?

    - Sie können spezifischer werden: Dann schreien die, die sich von einer Zeitschrift Vielfalt erwarten und Anregungen.
    - Sie können unspezifischer werden: Dann schreien die, die mehr zu einem Thema wollen.

    Fazit: Allen recht machen geht nicht.

    Also ab ins Web: okay, hat aus Lesersicht Vorteile: Durchsuchbarkeit, Aggregierbarkeit. Nur: das bietet die dotnetpro seit 2002 über das Archiv, in dem sämtliche Artikel über Volltext gesucht, per PDF gelesen und heruntergeladen werden können und die Quellprojekte sind auch gleich noch dabei.

    So und dann schlägt noch das letzte Argument zu: zu teuer. Mir hat mal ein Leser gesagt, dass sich ein Jahresabo für ihn schon gelohnt hat, wenn er in einem Jahr (!) nur einen (!) Artikel findet, der ihm weiterhilft und Zeit und somit Geld spart. Ich hoffe, dass das im Fall der dotnetpro nicht nur einer ist, der weiterhilft, aber rein wirtschaftlich gesehen ist mit der Zeitersparnis von nur einer Stunde Programmiererhonorar das Jahresabo wieder drin.

    Die Unzufriedenheit der Leser/Programmierer verstehe ich allerdings nur zu gut. Wie schnell kommen inzwischen neue Frameworks aus Redmond, neue Open-Source-Bibliotheken, neue was-weiß-ich. Und jede Technologie verspricht: Mit mir geht deine Arbeit schneller, besser und mit weniger Fehlern. Nur: Wie soll man da noch mithalten? Wie soll man das Wissen noch alles rezipieren und verdauen? Der Overkill.

    Hier setzt aber genau wieder eine Fachzeitschrift an, denn der Job der Redaktion ist das Sichten, Auswählen und Aufbereiten von Informationen. Damit die Leser eben nicht untergehen.

  • @Tilman: Nun, ich habe nicht behauptet, etwas Neues aufgetan zu haben. Aber auch ein alter Missstand ist immer noch ein Missstand. Probleme werden ja nicht weniger wichtig, nur weil man auch nach langer Zeit keine Lösung hat.

    Insofern weiß ich auch nicht recht, was du den Lesern deiner Fachzeitschrift mit deinem Kommentar sagen willst.

    Du erkennst das Problem an. Wunderbar. Damit bist du also nicht mehr unwissend.

    Dann erkennst du an, dass mehr online Inhalte Vorteile für die Leser haben. Wunderbar. Wir sind immer noch auf einer Linie.

    Dann führst du das dotnetpro online Archiv aber als Lösung des Missstands an. Und da kann ich dann nicht mehr folgen. Denn nur weil Inhalte online sind, bedeutet das nicht, dass schon die von mir (nochmals) aufgeworfenen Probleme gelöst sind. Die Gründe:

    1. Das online Archiv der dotnetpro ist unbefriedigend nutzbar. Es fehlt eine Kategorisierung, Suchergebnisse sind immer wieder ungenau.

    2. Das online Archiv füllt sich so langsam, wie Hefte erscheinen. Das ist aber für verlässliche Fortbildung zuwenig, wie ich versucht habe "auszurechnen".

    3. Das online Archiv enthält die Artikel in minderer Abbildungsqualität.

    4. Das online Archiv enthält eben nur Artikel. Es ist insofern dem Printmedium verhaftet. Die dotnetpro nutzt keine anderen Medien. Von einem fehlenden allgemeinen Honorierungsmodell für non-print Inhalte will ich mal schweigen.

    5. Die Inhalte des online Archivs sind nicht aktuell. Bis das aktuelle Heft dort zu sehen ist, vergehen Wochen. Das ist inakzeptabel - und als Problem lange bekannt.

    6. Das online Archiv ist passiv. Ich muss es aufsuchen. Ich werde über neue Inhalt nicht per RSS informiert. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass es nicht aktuell ist. Ein RSS-Feed lohnt sich nicht. Obendrein kann ich mir keinen permanenten Filter über den online Content legen. Das liegt am fehlenden Feed und an der fehlenden Kategorisierung.

    Ohne das online Archiv gehts gar nicht. It´s a must. Aber die derzeitige Form ist - sorry to say - steinzeitlich. Wir haben nicht mehr 1999 und freuen uns alle über PDFs, die wir mal irgendwo lesen können. Wir haben 2007 und alle hohen Bandbreiten und noch mehr Informationsflut. Non-IT-Zeitschriften wie Spiegel, Stern, ChangeX sind viel weiter als die Fachzeitschriften der Softwareentwicklung. Aber besser, ich höre hier auf, sonst muss ich noch mehr weinen.

    Dann dein Preisargument: Ich habe mich nicht über den Preis der dotnetpro beklagt. Wie man meiner Aufstellung entnehmen kann, gibt es für den doppelten Preis im Vergleich zum dot.net Magazin auch fast doppelt soviele Beiträge. Außerdem habe ich ja schon in meiner Antwort oben gesagt, dass es darum nicht gehen kann. Ein Abo lohnt sich vom Preis her.

    Mit keinem Satz gehst du aber darauf ein, dass der Preis - egal wie hoch (er könnte ja womöglich auch höher sein) - variabel gestaltet werden könnte. Das war eines meiner Argumente. Leser sind ja nicht unzufrieden über eine bestimmte Anzahl EUR, die sie zahlen sollen, sondern über das Verhältnis dieser EUR zum wahrgenommenen Nutzen. Ein Leser, für den jeder Artikel einer customizable dotnetpro ein Bringer ist, ist - da bin ich mir sicher - bereit, auch mehr (!) als bisher zu zahlen. Diese Möglichkeit sieht nur leider bisher kein Zeitschriftenanbieter.

    Schließlich dein Abschlussatz: Da beschreibst du die Rolle einer Redaktion. Wunderbar. Nichts anderes erwarten wir von ihr. Dafür bezahlen wir als Leser Geld.

    Meine Kritik ist ja aber nicht, dass die Fachzeitschriften nicht filtern würden. Meine Kritik lautet: Sie filtern so munter für jeden etwas heraus, dass am Ende der Einzelne sich nicht befriedigt sieht. Wenn ich Gummibärchen mag oder gar vom Arzt verschrieben bekomme ;-), dann kaufe ich nicht die bunte Mischung von Haribo, sondern die große Goldbärenpackung. Bei den Fachzeitschriften von iX über dotnetpro bis c´t gibts aber nur bunte Mischungen. Die Goldbären-Freunde - und ihre Zahl muss (!) zunehmen - kommen damit immer weniger auf ihre Kosten. Sie werden abwandern.

    Redaktion tut Not! Angemessener Preis tut Not! Mehr Inhalte für Spezialisten tun Not! Print tut weiterhin Not!

    Es folgt weiterhin für mich: Der status quo ist unbefriedigend. Nur eine Verschiebung des Fokus von offline zu online kann helfen. Beim Preis, bei der Vielfalt, bei der persönlichen Fokussierung.

  • Ralf und die anderen,

    prima auf den Punkt gebracht. Leider steht und fällt das Lesevergnügen und die Effektivität ("Grad-der-Zielerreichung von Lektüre für mich persönlich") immer mit den AUTOREN von Beiträgen... und daran mangelt es meiner Meinung nach erheblich. Viele Beiträge in so genannten Fachzeitschriften entstehen von Möchtegarnichtgern-Schreiberlingen, die von ihren Chefs zu einer Veröffentlichung genötigt werden, andere stammen aus der Feder verbal geschickter Marketing-Cracks (die leider von Themen nahezu garnichts verstehen).

    Somit fehlt mir eine weitere Dimension in Deiner Bewertungstabelle - nämlich die Qualität (im Sinne von Nützlichkeit für die Leser) - und ich behaupte frech, dass momentan keine Fachzeitschrift über genügend Kapital oder Attraktivität verfügt, um > 20-40 GUTE Artikel pro Monat zu "schaffen".

    tzja - auch kein konstruktiver Vorschlag :-(

    viele Grüsse aus Köln,
    Gernot

  • Ralf, die meisten meiner Statements zielten gar nicht auf dein Posting, sondern auf die vielen Meinungen, die an mich herangetragen werden.
    Manchem deiner Ideen kann ich absolut folgen: Kategorisierung im Archiv finde ich gut. Zu überlegen, wie wir das umsetzen.
    RSS-Feed kannst du dir anlegen, denn du kannst dir jeden Suchanfrage als Feed speichern und bist somit aktuell.
    Nicht folgen kann ich dir:
    PDF-Kritik: Siehe ein Posting Katrin Bibas: Sie druckt gern mal aus. Wäre das nicht PDF, wäre der Spaß beim Ausdruck garantiert.

  • @Gernot: Ich stimme dir zu. Ein Engpass sind durchaus gute Autoren.

    Eine Bewertung der Beiträge habe ich aber absichtlich nicht gemacht. Ich hätte nur ganz subjektiv meine Messlatte für die Qualität angelegt. Die Masse der Leser könnte das ja aber anders sehen. Mit einer quantitativen Betrachtung bewege ich mich auf festerem Boden.

    Dem Qualitätsproblem, das ja ganz allgemein ist, kann auf verschiedene Weise begegnet werden:

    1. Verlage motivieren zur Fortbildung von Autoren und solchen, die es werden könnten. Dazu braucht es Fortbildungsangebote (daran arbeite ich derzeit) und Anreize (daran müssen die Verlage arbeiten).
    2. Entwickler, Chefs und Ausbilder fangen an, mehr auf ihre Ausdrucksfähigkeit zu achten. In Zeiten, wo Projekterfolge immer mehr von der Kommunukationsfähigkeit abhängt, tut jeder gut daran, sich darin fortzubilden. Das beginnt natürlich schon in der Schule - eigentlich. Die Erstausbildungsinstitute sind dann aber natürlich besonders gefordert.
    3. Darstellungen in unterschiedlichen Medien sind unterschiedlich schwer herzustellen. Artikel zu schreiben ist eine Sache, einen Code Clip zu machen, eine andere. Eine Diversifizierung in dieser Hinsicht kann eine größere Zahl von Contentproduzenten anziehen.
    4. Nicht jeder Inhalt muss komplett originär sein. Auch Aggregationen haben wert. Online lassen sie sich leicht herstellen und nutzen. Da muss man als "Autor" vor allem Fachmann sein, um eine Quellensammlung zusammenzustellen bzw. zu pflegen, und nicht Formulierungsexperte.

    Das Qualitätsproblem ist real - aber ich denke, es lässt sich lindern. Vor allem ist es groß genug, auch ohne eine Steigerung der Anzahl der Publikationen an ihm zu arbeiten.

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